Wo ist der Skandal?
Ein angeblicher Korruptionsskandal im Bremer BAMF wird zur Legitimationsgrundlage zehntausender Überprüfungen positiver Asylbescheide und zum Mittel der Schikane von Schutzberechtigten.
Während Essenseinladungen gemeinhin eher als Zeichen von Geselligkeit oder aber als standardisiertes Verfahren harmlosen Networkings gelten, können sie zum entscheidenden Indiz für den Tatverdacht der „Korruption“ erhoben werden – wenn sie im Zusammenhang mit Sachverhalten stehen, die nicht in den herrschenden Diskurs passen.
In einem solchen Diskurs bricht sich seit einigen Tagen die populistische und unkundige Empörung um das Bremer BAMF Bahn, wenn höhere Schutzquoten den Zorn hervorrufen und nicht etwa die hohen Ablehnungsquoten von verfolgten und gefährdeten Menschen und deren Abschiebung in Kriegs- und Folterstaaten. In diesem zunehmend rassistischen asylpolitischen Diskurs geht es ganz gewiss nicht um die Wahrung rechtsstaatlicher Korrektheit in den Verwaltungsabläufen, sondern um einen gezielten Angriff auf die letzten Reste des Asylrechts – und um eine Diskursverschiebung nach rechts. Dass Bremen, wo im Vergleich zu anderen Bundesländern für einige Herkunftsstaaten eher höhere Anerkennungsquoten vorliegen, schon länger in der Kritik asylpolitischer Hardliner*innen steht, ist nichts Neues.
„Für die meisten Politiker*innen ist anscheinend klar, dass – wenn alles mit rechten Dingen zugeht – Asylverfahren mit einer Ablehnung zu enden haben“, so Manuela Schneider von der Flüchtlingsinitiative Bremen. „Das Asylverfahren ist so gestaltet und wird in einigen Bundesländern so durchgeführt, dass Menschen trotz ihrer Verfolgung eine Ablehnung erhalten und ihnen die Abschiebung angedroht wird – das ist der Skandal.“
Das Handeln der jüngst in die öffentliche Kritik geratenen ehemaligen Leiterin des Bremer BAMF könnte dahingegen vor allem auf ihrer Sachkunde der Lage von Jesid*innen im Irak sowie in Syrien beruhen. Die Zuerkennung eines Schutzstatus ließe sich insofern schlichtweg aus dem Grundrecht des Schutzes vor politischer Verfolgung ableiten. Denn die Brutalität, mit der Jesid*innen im Zuge des Vorrückens des IS misshandelt, vergewaltigt, versklavt und ermordet wurden, war nicht nur Auslöser eines medial vermittelten Entsetzens. Vielmehr führte dieser Genozid dazu, dass Jesid*innen in der Zeit von 2015 bis 2017 sowohl in Bremen als auch in anderen Außenstellen des BAMF mit hoher Wahrscheinlichkeit ein internationaler Schutzstatus zuerkannt wurde.
“Eine leitende Mitarbeiterin des BAMF, die für unbürokratische inhaltliche Prüfungen oder schnelle Verfahren sorgte und sich nicht generell weigerte, gefährdete Schutzsuchende wegen „Unzuständigkeit“ der weiteren Verfolgung preiszugeben, verdient insofern unseren Respekt,“ so Manuela Schneider.
Dass die Ermittlungen gegen das Bremer BAMF nun als Vorwand für die erneute Überprüfung zehntausender, willkürlich ausgewählter positiv beschiedener Verfahren benutzt werden, dass viele Schutzbedürftige massiv verunsichert und womöglich ihrer Rechte beraubt werden – das ist ein weiterer Skandal.